Grundschule – große Vorfreude und Ernüchterung

 

Die Einschulung eines Kindes ist ein Meilenstein, der von Eltern und Kindern gleichermaßen mit Vorfreude und Aufregung erwartet wird. Doch für hochbegabte Kinder kann dieser Übergang eine besonders komplexe Erfahrung sein. Die Erwartungen sind hoch, die Neugierde auf das Lernen ist groß, aber die Realität in der Grundschule kann oft ernüchternd sein.

Vor der Einschulung zeigen hochbegabte Kinder oft ein außergewöhnliches Interesse an bestimmten Themen, sie haben eine rasche Auffassungsgabe und stellen oft viele Fragen. Diese Eigenschaften können bei Eltern und Lehrern den Eindruck erwecken, dass das Kind bereits weit über dem Durchschnitt liegt und die Schule für sie ein Kinderspiel sein wird. Doch wenn das Kind dann in die Grundschule kommt, kann es zu einer abrupten Ernüchterung kommen.

Die meisten Grundschulen sind auf die Bedürfnisse durchschnittlich begabter Kinder ausgerichtet. Lehrpläne und Unterrichtsmethoden sind oft standardisiert und können hochbegabte Kinder unterfordern. Diese Kinder können sich schnell langweilen, wenn der Unterricht zu langsam ist oder wenn sie bereits vertraute Inhalte wiederholen müssen. Dies kann zu Frustration und Desinteresse führen, was sich wiederum negativ auf ihre Motivation und ihre Einstellung zur Schule auswirken kann. (Dazu ein weiterer Beitrag „Unterforderung in der Grundschule“)

Darüber hinaus können hochbegabte Kinder Schwierigkeiten haben, sich in sozialen Situationen zurechtzufinden. Sie könnten Schwierigkeiten haben, Gleichaltrige zu finden, die ihre Interessen und ihre Denkweise teilen. Dies kann zu Gefühlen der Isolation führen und ihr Selbstwertgefühl beeinträchtigen.

Ein Beispiel, das ich erlebt habe:
Ein Kind kennt sich schon super mit dem Thema Vulkane aus. Die Lehrerin möchte im Sachkundeunterricht aber nur knapp dazu unterrichten, weil es eigentlich um die Kontinentalplatten geht. Das hochbegabte Kind freut sich. Endlich ein Thema, bei dem es sein Wissen zeigen und vertiefen kann. An der Stelle, an der das Kind nun aufmerksam wird, geht es im Unterrichtsstoff gar nicht weiter, da die anderen Kinder sowieso schon Schwierigkeiten haben zu verstehen, warum es zu Vulkanausbrüchen kommen kann. Das hochbegabte Kind interessiert sich derweil für die chemische Zusammensetzung der Gase, die Hitzeentwicklung etc.. Das frustriert!!!

Es ist wichtig zu betonen, dass nicht alle hochbegabten Kinder die gleichen Erfahrungen machen. Einige können sich gut anpassen und erfolgreich in der Schule sein, während andere mehr Unterstützung benötigen, um ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Eltern und Lehrer spielen hierbei eine entscheidende Rolle.

Eltern hochbegabter Kinder sollten darauf achten, ihre Kinder nicht nur intellektuell, sondern auch emotional zu unterstützen. Es ist wichtig, ein Umfeld zu schaffen, in dem das Kind seine Interessen und Leidenschaften entwickeln kann, ohne sich dafür rechtfertigen zu müssen. Dies kann bedeuten, außerschulische Aktivitäten zu fördern, die den individuellen Interessen des Kindes entsprechen, oder nach Schulen zu suchen, die Programme für hochbegabte Kinder anbieten.

Auch Lehrer haben eine Verantwortung, hochbegabte Kinder angemessen zu fördern. Dies erfordert oft eine Anpassung des Lehrplans und eine differenzierte Unterrichtsgestaltung, um sicherzustellen, dass diese Kinder herausgefordert und motiviert bleiben. Individuelle Förderung ist übrigens im §1 des Schulgesetzes NRW seit 2006!!! fest verankert (Linkhttps://www.schulentwicklung.nrw.de/q/individuelle-foerderung/rechtliche-grundlagen/index.html). Eure Kinder haben also ein Recht auf Förderung!

Viele Lehrkräfte reden sich dabei heraus und nehmen die Bedürfnisse des Kindes nicht ernst. Förderung und Lernen sind die Essenz einer guten Grundschulzeit. Dadurch kann sich ein Kind auch sozial besser einfügen. Lehrkräfte dürfen sich nicht nur an der Mitte im Leistungsstand ihrer Klasse orientieren, sondern sollte auch den Blick nach oben werfen, denn 15 Prozent der Schülerinnen und Schüler benötigen mehr Input als das der Lehrplan hergibt.
Darüber hinaus ist es wichtig, ein unterstützendes und einfühlsames Umfeld zu schaffen, in dem hochbegabte Kinder sich akzeptiert und verstanden fühlen.

Insgesamt ist die Einschulung hochbegabter Kinder ein komplexer Prozess, der sowohl große Vorfreude als auch ernüchternde Erfahrungen mit sich bringen kann. Es ist wichtig, die Bedürfnisse dieser Kinder zu erkennen und angemessen darauf zu reagieren, um sicherzustellen, dass sie ihr volles Potenzial entfalten können. Mit der richtigen Unterstützung können hochbegabte Kinder nicht nur erfolgreich in der Schule sein, sondern auch zu selbstbewussten und erfüllten Erwachsenen heranwachsen.

Nach oben scrollen